Im Hindernisparcour der Kunst // Ein Treffen mit Krištof Kintera (der vor Kurzem den tschechischen Kunstpreis „Persönlichkeit des Jahres“ erhalten hat)

Ausgerüstet mit Stichsäge und Aluminiumprofilen bewegt sich ein Handwerkstrupp durchs Treppenhaus der Stadtbücherei Prag. Es sind die Vorbereitungen für Krištof Kinteras Solo-Ausstellung, die in diesen Tagen für vermehrtes Material- und Personenaufkommen sorgen, am Altstädter Marienplatz Nummer eins. Zwischen den Stockwerken kommen die Blaumänner zum stehen. Die Plastiktüte eines Obdachlosen, der sich hier aufgewärmt hat, ist beim Abgang am Geländer aufgerissen. Deren Inhalt liegt nun über sämtliche Stufen verteilt. Vor sich hin murmelnd, liest der etwa 60-Jährige ein paar dreckige Kleidungsstücke auf, steckt sie zurück in die Tüte und verschwindet in die klirrende Kälte, hinaus auf die Straße.

Dorthin, wo auch prominentere Werke des 38-jährigen Krištof Kintera zuhause sind. Für seine zum Gedenkobjekt umfunktionierte Straßenlampe, mit dem Titel “Willensprobe – Memento Mori”, an der Nuslebrücke im Prager Folimanka Park, wurde Kintera nun mit dem Kunstpreis “Persönlichkeit des Jahres 2011” geehrt. Seit 10 Jahren wird der auf die Initiative des Egerer Stadtgaleriedirektors Marcel Fiser zurückgehende Preis vergeben. Dass die Installation die zehnköpfige, vom Magazin Art & Antique und dem Kunstportal artalk.cz ernannte Fachjury überzeugt hat, liegt vor allem an ihrer gesellschaftlichen Relevanz, thematisiert sie doch ein trauriges und weitgehend verdrängtes Kapitel des Prager Alltags. Schätzungen zufolge haben sich seit 1973, dem Jahr der Errichtung der Brücke im Prager Stadtteil Nusle, 200 bis 300 Menschen durch den Sprung in die Tiefe das Leben genommen.

“Es ist positiv, dass eine Realisation im öffentlichen Raum gewonnen hat. Kinteras Statue ist sehr interessant und wichtig, weil sie auf das Problem des Prager Monuments verweist”, so Jurymitglied Hana Rousová. Für welche künstlerischen Zwecke sich die üblicherweise rigide an Straßenverläufe angepasste Straßenbeleuchtung eignet, hat Kintera schon vor Jahren im holländischen Tiburg für sich entdeckt, wo er eine handelsübliche Straßenlampe zum Spotlight einer Heiligenstatue umbaute.


Ohne das Einverständnis der Behörden wären Kinteras Installationen jedoch nicht von großer Dauer. “Das war auch das größte Problem mit der Installation in Nusle”, so Kintera. “Ohne meine persönliche Bekanntschaft zu einer Person in der Stadtverwaltung hätte das nicht geklappt.” Die Grenzen des Erlaubten zu testen und die der Kunst zu erweitern, gehört fest zu Kinteras künstlerischem Selbstverständnis, was sich auch während der Vorbereitungen zu seiner Ausstellung in der Prager Stadtbücherei zeigt. Dankbar, aber unbeeindruckt von der Größe und Qualität des Ausstellungsraums, verlangt Kintera von der Galerieverwaltung einen hinter Rigipswänden verborgenen Korridor für Besucher zugänglich zu machen. Um seinem Wunsch Nachdruck zu verleihen, hat er bereits mit dem Hammer ein Loch in die Wand geschlagen.

“Hier möchte ich einen Durchbruch machen, aber vor einigen Tagen war ein Sicherheitsbeauftragter von der Stadt da und hat Bedenken angemeldet. Der hat auch gefragt, ob ich ein Sicherheitszertifikat für meine Kunstwerke habe.” Kintera grinst für einen Moment, macht aber sofort deutlich, dass es ihm ernst ist. Ihn jetzt mit Sicherheitsbedenken zu konfrontieren sei absurd, weil die Galerie schon lange wüsste, dass er zum Beispiel ein unter 50 000 Volt Spannung stehendes Werk ausstellen werde. Ganz so kompromisslos wolle er sich jedoch nicht zeigen. “Wir werden eine Lösung finden, notfalls sperren wir einen Seitenraum ab, den Besucher dann zwar nicht betreten, aber anschauen können.” Ein Sicherheitszertifikat für Kunstwerke zu verlangen, klingt tatsächlich etwas restriktiv. Zugleich scheint Kintera jedoch gerade solche Bedenken und Einwände als Ansporn und Legitimierung für seine künstlerischen Sonderwege zu nutzen.

Kintera, der zur den erfolgreichsten Künstlern Tschechiens zählt und unter anderem an “Entropa”, David Černýs skandalösem Werk für die tschechische EU-Ratspräsidentschaft 2009, beteiligt war, betont seine Unabhängigkeit. “Wenn ich in der Ausstellung auf bestimmte Werke aus Sicherheitsgründen verzichten soll, dann werden wir meine Sachen hier wieder abtransportieren, dann war’s das. Ich brauche diese Ausstellung nicht.” Kintera zeigt auf eine aus Blei gefertigte Kabine, die während der Ausstellung das Zuhause seiner Filmfigur “Plumbuman” (zu deutsch Klempnermann) sein wird: “Was kann ich dafür, wenn jemand mit seiner Zunge überprüfen will, wie die Bleiverkleidung schmeckt? Das ist nicht mein Problem.”

Schon 1996 kommentierte Kintera das gängige Anfassverbot in Galerien und Museen mit seinem Werk “Do not touch”, drei in den Betonboden eingelassene Kreissägen, deren Sägeblätter bedrohlich und ohne jede Schutzvorrichtung rotierten. Für die Ausstellung in der Stadtbücherei hat er sich vorgenommen den Eingangsbereich umzubauen. “Normalerweise kommt man hier durch die Eingangstür und schluckt erstmal, weil die Stimmung so gedämpft ist, rechts der Bezahltresen, vorne das Wachpersonal. Um das zu ändern werden wir die Decke etwas abhängen und einen für Prag typischen, vietnamesischen Kaufladen nachbauen, durch den sich der Besucher ersteinmal durchzwängen muss.”

Fast wäre Kintera Berufsathlet geworden, Hürdenläufer. Das war ihm jedoch zu langweilig. Hürden zu suchen und dann zu überwinden, hat sich jedoch auch als Motiv für sein künstlerisches Schaffen bewährt. Für den Fall, dass der Sicherheitsbeauftragte ernst machen und tatsächlich Ausstellungsstücke verbieten will, hat er bereits vorgesorgt. Schmunzelnd deutet Kintera auf einen über vier Meter hohen, aus Straßenlampen gefertigten Kronleuchter: “Hier in dem Stahlrohr haben wir einen 100-Kronen-Schein deponiert. Nicht viel, aber die Geste zählt.”

Krištof Kintera – Ergebnisse der Analyse, 29.2. bis 13.5., Galerie der Hauptstadt Prag (Stadtbücherei, 2. Stock, Mariánské náměstí 1, Eingang Valentinská), geöffnet: täglich 10-18 Uhr, Eintritt: 120 CZK (ermäßigt 60 CZK), www.ghmp.cz, www.kristofkintera.com

> find the fast-and-humpy-translated english version below:

In the obstacle course of arts // A Meeting with Krištof Kintera – Czech Republic’s art personality of the year 2011

Equipped with a jigsaw and aluminum profiles, a group of handcrafts moves through the stairway of the Prague Municipal Library. Where the preparations for Kristof Kinteras solo exhibition take place these days, providing increased material and passenger traffic, at the Old Town Maria Square number one. Between the floors the group of Blue Men stops. The plastic bag of a homeless man who has warmed himself here, torned open while passing the stair-rail. The content is now distributed across the stairs. Muttering to himself, the about 60-year-old collects his clothes, puts them back into the bag and disappears into the bitter cold, out to the streets.

To where also prominent works of the 38-year-old Kristof Kintera have their existence. For his to a memorial converted street lamp, with the title „Of One’s Own Volition – Memento Mori“, at the Nusle Bridge in Prague’s Folimanka Park, Kintera was now been honored with the Art Award „Personality of the Year 2011“. Going back to the initiative of Cheb’s Municipal Gallery Director Marcel Fiser the prize has been awarded for already 10 years. That the installation convinced the ten jury members, appointed by the magazine Art & Antique and the Art Portal artalk.cz, is also because of its social relevance, focussing on a sad and largely repressed chapter of Prague’s daily life. It is estimated that since 1973, the year of construction of the bridge in Prague Nusle, 200 to 300 people took their lifes by jumping to the depth.

„It is positive that a realization has won in the public domain. Kinteras statue is very interesting and important because it points to the problem of the Prague monument”, says jury member Hana Rousová. Kintera already proved the usually rigidly road course following streetlamp as a means for artistic purposes several years ago in the Dutch city of Tilburg, where he modified a street lamp into a Spotlight of a saint statue.

Without the consent of the authorities Kinteras installations were not of great duration. „That has also been the biggest problem with the installation in Nusle“ says Kintera. „Without my personal acquaintance with a person in the city government it would not have worked out.“ To test the limits of what is permissible and to expand the limitis of art, is part of Kinteras self-understanding, which can be recognized also during the preparations for his exhibition at the Prague Municipal Library. Thankfully, however, unimpressed by the size and quality of the exhibition space, Kintera requires the management of the gallery to make a hidden corridor behind plasterboard walls accessible for visitors. In order to emphasize his desire, he already made a hole in the wall.

Testing and expanding the limits of arts

„Here I would like to make a breakthrough, but a few days ago, a security officer was here, and raised concerns. He also asked if I have a safety certificate for my art works.“ Kintera smiles for a moment, but immediately makes sure that it’s serious. To confront him with safety concerns now is absurd, because the gallery knows for a long time that he would also issue a 50 000 volt art work. Nonetheless he shows openess towards a compromise: „We will find a solution, if necessary, we will block off a side room, then the visitor can not enter, but watch.“ To require a safety certificate for works of art, sounds, politely said, restrictive. At the same time Kintera uses such concerns and objections as an incentive and legitimacy for his specific artistic ways.

Kintera, who is one of the most successful artists in the Czech Republic and was also envolved in „Entropa,“ David Cerny’s scandalous art work for the Czech EU Presidency in 2009, emphasizes his independence. „If I should be forced to abandon certain works from the exhibition for security reasons, then we’ll move my stuff away form here, and that’s it. I don’t need this exhibition.“ Kintera points to a cabin made of lead, which will be the home of his character invention „Plumbuman“ during the exhibition. „What can I do if someone wants to check with his tongue, how the lead lining tastes? That’s not my problem.“

Back in 1996 Kintera commented gallery and museum conventions with his work „Do not touch“, three concrete embedded buzzsaws, which blades rotated threatening and without any protective device. For the exhibition at the public library, he wants to remodel the entrance area. „Usually you step in and directly have to swallow, because it’s so subdued – the payment counter on the right, the guards in front. To change this we will lower the ceiling and rebuild a Prague typical Vietnamese grocery store, through which the visitor will have to pass through.“

When he was young Kintera would have almost become a professional athlete. Thanks god he didn’t. To seek and overcome obstacles has nonetheless also become a motive for his artistic work. If the security officer unsheathes and wants to prohibit exhibition pieces, Kinteras team is prepared. Pointing to a four meters high chandelier made of street lamps Kintera says: „Here in the top of the steel tube, we have deposited a 100-Crown note. Not much, but a gesture that will be understood.”

Kristof Kintera – Results of the analysis, 29.2. to 13.5.2011, City Gallery Prague (City Library, 2nd floor, Marianske namesti 1, entrance via Valentinská), open: daily 10-18 o’clock, Admission: 120 CZK (reduced 60 CZK), www.ghmp.cz, www.kristofkintera.com

Lego-System-Kunst // Retrospektive Radek Kratinas im Haus zur Steinernen Glocke

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Lange hat die umfassende Werkschau des tschechischen Künstlers Radek Kratina auf sich warten lassen, und dass, obwohl dieser sich ohne Weiteres in die Ahnenreihe der konstruktivistischen, konkreten oder kinetischen Kunst der 1960er und 70er Jahre fügt. 1999 verstorben und zu Lebzeiten mit Ausstellungsverboten belegt, wird der Name Kratina bis heute in kaum einer Hitlist des internationalen Kunstbetriebs geführt. Etwas bekannter mag da der in Berlin lebende tschechische Künstler Rudolf Valenta sein, der 1967 zusammen mit Kratina den tschechoslowakischen „Klub der Konkretisten“ gründete.

Programm dieser Vereinigung, das zur selben Zeit auch andernorts in Europa Konjunktur hatte, war, künstlerische Form– und Farbgebungen auf wesentliche Elemente zu reduzieren. Was die russischen Formalisten, die schweizer Konstruktivisten oder die Dada–Bewegung im frühen 20. Jahrhundert an Innovation freisetzten, an neuen Design– und Bauprinzipien hervorbrachten, sollte nach dem historisch bedingten Rückfall in vormoderne Zeiten wieder Gegenstand des künstlerischen Schaffens sein. Wie die als Sonderlinge belächelten Konkreten Poeten im Westdeutschland der 1960er Jahre sich den Lego–Systemkomponenten der Literatur zuwandten, also den Buchstaben und Lauten, arbeiteten Konkrete Maler und Bildhauer mit geometrischen Grundformen und komplementären Farbfolgen.

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Mit einsetzender Normalisierung in der Tschechoslowakei, wurde auch der Künstler Radek Kratina marginalisiert, da er nach Logik der geltenden Doktrin ein westlich–dekadentes Kunstverständnis vertrat. Vielfarbene Quader oder monochrome Karos sind nach wie vor Themen der Malerei und Bildhauerei, die naturalistischer veranlagte Betrachter herausfordern. Kratinas offensichtlicher Gefallen an geometrischen Formen und monochromer Farbgebung kommt jedoch gar nicht streng formalistisch daher, sondern spielerisch. Ein Spiel, das wiewohl kein abstraktes, sondern ein durch und durch gegenständliches ist.

Die Reliefs aus Alltagsobjekten wie Streichhölzern und Buchstabennudeln, die gemäldehaften dreidimensionalen Setzkästen und vertikal emporragenden Metallskulpturen, die Kratina „Variablen“ genannt und je aus immergleichen Bauelementen nach dem immergleichen Bauprinzip zusammengesetzt hat, zeigen, dass hier vor den historischen Wänden der Hauptstadtgalerie, das Werk eines Modernen gewürdigt wird.

Radek Kratina (1928 – 1999) Dům U Kamenného zvonu, Galerie hlavního města Prahy / Haus zur Steinernen Glocke, Galerie der Hauptstadt Prag (Staroměstské náměstí / Altstädter Platz 13, Praha 1), geöffnet: dienstags bis sonntags 10 bis 20 Uhr, Eintritt: 120 Kronen (ermäßigt 60 Kronen), www.citygalleryprague.cz, bis 19. Mai 2013

Gedanken zu Bildern in Medien // Tage des Arabischen Films in Prag

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Plakat der 2012er-Ausstellung „Middle East Europe“ im DOX-Zentrum für zeitgenössische Kunst, Prag.

Einstieg ins Textauto. Die Türen schließen. Sprecher: Niklas Luhmann, 1998 verstorbender Soziologe:

„Alles was wir über die Welt ||: wissen :|| wir aus den Massenmedien.“

Professor Luhmann spricht über die Produktion von Wissen über Realität, wie sie von Medien betrieben wird. Im Gegensatz zur Naßzelle eines Thomas Mann, dem tägliches eiskaltes Duschen beim Klären von Gedanken geholfen haben soll, sorgt die Berieselung mit Erzeugnissen aus dem Infotainment-Äther in der daily media shower show für Parallelrotation und folglich Erhitzung menschlicher Gehirne. Zu allem und jedem werden Meinungen von Dingen und Menschen angeboten, die nicht selten am eigenen Bewusstsein kleben bleiben. Unhinterfragt. Umso bildlicher desto einprägsamer.

Die Macht der Bilder also. Die Satelitenaufnahme der Erdkugel, ein Prototyp. Im Gegensatz zur Mondlandung ist unumstritten, dass Form und Farbe der Erdkugel mit dem übereinstimmen, was wir, seit 1959 das erste Satelitenfoto der Erde die Runde machte, zu sehen gewohnt sind. Auch wenn wir inzwischen gestauchte Atmosphäre von kartoffelförmiger Hardschale unterscheiden, stellt niemand dieses Urbild ernsthaft infrage. Wie auch? Zu teuer ein eigener Satelit, zu aufwendig und nur sehr privilegierten Menschen, Astronauten und Reichen, vorbehalten, die Reise ins Außerirdische. Wissen wird zur Glaubenssache. Was aber, wenn die Produktion von Bildern einen strategischen Grund hat, einen medienspezifischen? Nichts weiter. Trotzdem.

Wenn ich Fernsehen mache, brauche ich zum Beispiel auch dann Bilder, wenn das Thema eigentlich keine hergibt. Ich filme dann zum Beispiel ein Flugzeug, das landet, und sage, dass dies die Maschine des deutschen Bundespräsidenten ist, der gerade den Papst besucht. Ich muss die Situation kommentieren, um dem Bild einen Sinn zu geben, der sich auf der Bildebene, so sie keinen leibhaftigen Bundespräsidenten zeigt, allein nicht erschließen lässt. Soweit so legitim. Woher aber nehme ich die Gewissheit, dass das Bild keine Attrappe ist, eine Attrappe, wie sie zum Beispiel ein Bankräuber von einem Tresorraum anfertigt und vor die Überwachungskamera hängt, um ungestört arbeiten zu können? Ohne Verschwörungstheorien das Wort zu reden (weil sie zu naheliegend sind), muss die Frage, warum Manches in unser Sichtfeld gelangt und Anderes nicht, moderne Menschen beschäftigen.

Kameraleute z.B., sind in der Regel nicht von krimineller Energie getrieben, aber immer zum Bildermachen verdonnert. Zum Anfertigen von Bildern, die uns etwas sagen, eine Botschaft unterstreichen sollen. Nicht selten wird dabei das gewählte Medium, in diesem Fall das Bild, selbst zur Botschaft. Beispiel: aufgebrachte Demonstranten verbrennen die Israelische Flagge. Oder: Vollbart tragende Männer posen mit Kalaschnikow. Es entsteht eine Art terror branding. Wir machen Bekanntschaft mit der Ästhetik des Terrors. Richtiger, aber für den kurzen Bericht untauglich: wir sehen nur eine (suggestions- und ausdrucksstarke) ästhetische Darbietung von vielen. Richtig wird sie damit nicht. Die Methode dahinter: Induktion. Naivität. Spannung. Ein Bild. Nicht selten eine Attrappe, bestenfalls eine Miniatur von Realität, neben vielen anderen. Das viele Andere gerät aus dem Blick, vor allem wenn sich das Eine permanent wiederholt. Induktion beats Deduktion. Bämm! Damit will ich nicht sagen, das Bilder von aufgebrachten Demonstranten, die eine Israelflagge verbrennen, grundsätzlich lügen. Sie sagen allerdings auch nicht mehr. Was gut für die Verwertungskriterien des Reutersdramas Nahost, und ein klarer Vorteil von branding ist, aber schlecht für alles Nichtkorporative.

Anderes Beispiel: Aufnahmen von Hochwasser. Sie erzählen uns kaum etwas über Mängel in der Stadtplanung, sondern zeigen narrativ vor allem auf die unerbittliche Gewalt der Natur. Nennt man Aufnahmen von ungewöhnlichen Flußpegeln nun eine Attrappe, soll das nicht heißen, dass der Produzent dieser Bilder dem Zuschauer bewusst etwas vormacht, sondern dass das Bild über etwas anderes hinwegtäuscht, zum Beispiel über die Gründe, wie es zu der Situation, die wir auf dem Bild sehen, gekommen ist. Es ist also eher eine Anlage in der Sache des Aufnehmens selbst. Fotografen und Filmemacher sind sich dessen sehr bewusst, denn sie wissen: wenn sie fokussieren, lassen sie etwas anderes weg.

Wer beispielsweise Bilder von langjährigen Krisengebieten produziert, greift zumindest im Geiste immer auch auf Bilder zurück, die sich als Modelle für eine bestimmte Form der Berichterstattung durchgesetzt haben (Stichwort Reutersdrama). Seit Jahrzehnten ähneln sich die Bilder aus dem Gaza-Streifen, und vor allem das Datum und die ästhetische Gestaltung der Nachrichtensendung helfen uns zwischen Aktuellem und Vergangenem zu unterscheiden. Dass die Kontinuität des Konflikts auch zu kontinuierlichen Mustern in der Berichterstattung führt, ist verständlich, nur verlieren die Bilder mit der Zeit auch ihre Kraft. Sie bewirken nichts mehr. Sie erhöhen gegebenenfalls die Spendenbereitschaft. Gewissensdienst per PayPal.

So what? What’s new? Defintiv eine spannende Frage, was man Neuheit, was man in Angelsachsen News und hierzulande Nachrichten nennt. Nachrichten, bestes alteuropäisch, klingt nach Aufklärung, Korrektur. News, klingt wunderbar amerikanisch, nach Innovation, Möglichkeit.

Wenn Nachrichtenbilder den Assoziationsraum einengen, und den Nachrichtenwert der Neuheit unterwandern, braucht es andere Bilder und Attrappen, die uns andere Facetten von bereits Bekanntem entdecken lassen. Spielfilme können eine Möglichkeit sein. Sie erschließen Räume, wo Dokumentarfilmer wegen großer Gefahren, wegen fehlenden Drehgenehmigungen oder wegen selbstauferlegter Genregrenzen nicht hinkommen. Spielfilme erschaffen Bilder für Gedanken, Gefühle, innere Konflikte.

Nachrichtenbilder, und das sind die häufigsten Bilder, die wir von der arabischen Welt empfangen, müssen in das Sendeformat passen und uns mit Informationen versorgen, die wir in aller Kürze handhaben können. Zusammengefasst führt das häufig zu dem Eindruck: im Nahen Osten nichts Neues, Arabisches Aufbegehren hin oder her. Spielfilmbilder müssen das nicht.

Laut Zensus 2010 leben in Tschechien keine 3000 Muslime. Trotzdem hat nahezu jeder Bewohner dieses Landes eine Meinung zum Islam, häufig keine Gute. Als eine heimische Supermarktkette kürzlich Fleisch Halal in sein Sortiment aufnahm, und dafür öffentlich warb, gab es prompt Proteste, wenn auch nur in der Facebook-Community, und ja, der Tierschutz spielte auch eine Rolle. Aber auch der derzeitige tschechische Präsident gibt zu denken, dass nicht jeder Muslim ein Terrorist, aber jeder Terrorist ein Muslim sei. Ach ja? Farbe bekennen ist ja richtig, aber muss es immer schwarz oder weiß sein? Man hört immer „Pro-Israel“ oder „Pro-Palestina“, manchmal sogar von politischen Versuchen einer Ein- bis Zweistaaten-Lösung. Wie wär’s denn mal mit der gegenseitigen Anerkennung des Menschenrechts? Wie wäre es, man näherte sich den Menschen und ihren Beweggründen auf Augenhöhe?

Das wäre was: Tage des Arabischen Films

Tage des Wassers // Lange geplant und von oben organisiert?

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Gerade weil die obigen Hinweise auf die mehrtägige Veranstaltung „Tages des Wassers“ aus dem Netz entfernt wurden, erhärtet sich der Verdacht, dass das Moldauhochwasser möglicherweise Teil einer gigantischen PR-Aktion der Prager Stadtverwaltung ist. (Merke, Mikrotheorie: wer Aufräumen oder Kümmern halbwegs glaubwürdig suggeriert, darf weitermachen.)

Zur Situation auf der Insel Kampa, gestern wie heute:

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Pegel herbeigebetet?

Grüner wird’s nicht // Tschechien vergrößert Walfangflotte

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Entgegen der im In- und Ausland verbreiteten Annahme, die Tschechische Republik verfüge über keinerlei walfangfähiges Gerät, ging der größte Stromproduzent des Landes, ČEZ, am vergangenen Wochenende in die Offensive: „Wir kennen weder die rechtlichen Grundlagen, die für einen solchen Schritt notwendig wären, noch verfügen wir über die moralische Autorität, bestimmte Optionen der Gewinnmaximierung kategorisch auszuschließen“, so Martin Paviánek, Sprecher des Stromgiganten. Eine spontan verabredete Allianz aus Tierschützern und Atomkraftgegnern rief die Bevölkerung zu Lebertranboykotten und Ernährung durch Licht auf. Die Redaktion unterstützt das Bemühen um höhere Reichweiten – und Emotionen – mit der obigen Anzeige.

Böhmischer Horst // Ein Horst sagt mehr als tausend Orte


Seit Computer soll es ja diesen digitalen Vorhang geben, hinter dem Horden Pinocchios die Lebensgefühle anderer in Sachwerte umrechnen – Käfer las davon in der Wald am Sonntag. Angetan, aber unbeeindruckt von der Wertigkeit seines Bauhaus-Stuhls, speichelte er die meiste Zeit kunstlos drapierte Hundehaufen ein. Vögelchen zwitscherte, am Rande des Horstes raste ein lebensmüder Gänseschwarm, unterwegs zum Sankt-Martinsfest. „Lemminge“, dachte Käfer, und starrte gespannt ins knisternde Unterholz.

Václav Düsentrieb // Schiffsschraube, Kontaktlinse & Vererbungslehre wurden in Tschechien erdacht – aber auch andere Erfindungen

>>> http://ergonom3.wordpress.com/2012/04/10/dalnik-or-the-long-range-thing-from-czechoslovakia/

Jára Cimrman

>>> http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%A1ra_Cimrman

Jára (da) Cimrman ist eine Kunstfigur und als solche Hauptfigur des Jára-Cimrman-Theaters (Divadlo Járy Cimrmana), das sich seinem Leben und Werk widmet. Die Figur tauchte das erste Mal im Jahre 1966 in einem Radioprogramm auf und entwickelte sich während des Sozialismus auch zum Objekt stillen Widerstands und einer Projektionsfläche für damals nicht realisierbare Möglichkeiten der freien Gestaltung des eigenen Lebens. Cimerman wurde dadurch zu einem „virtuellen“ Nationalhelden, dessen ebenfalls virtuelle Existenz von zahlreichen Personen und Medien über die Jahre durch Berichte über fiktive Ereignisse aus seinem Leben immer weitergepflegt und -entwickelt wurde.

Hauptautoren und Hauptdarsteller der im Theater aufgeführten Stücke sind Zdeněk Svěrák, Ladislav Smoljak und (in den ersten Jahren) Jiří Šebánek. Sie geben vor, Cimrman wissenschaftlich zu erforschen und ihr Publikum mit ihren jeweiligen neuen Erkenntnissen vertraut zu machen.

Das Theater entstand 1966 aus einem Radioprogramm, der „Alkoholfreien Weinstube zur Spinne“ („Nealkoholická vinárna U Pavouka“, Erstsendung 23. Dezember 1966), der ersten Premiere „Akt“ folgten in den nächsten 30 Jahren 14 weitere Stücke.

Die wichtigsten Charakteristika dieses Theaters sind neben der typischen Form (die Vorstellung ist in ein pseudo-wissenschaftliches Seminar und ein angeblich von Cimrman geschriebenes Stück geteilt) auch der Einsatz von „Nicht-Schauspielern“ und Mystifizierung (Vortäuschung der Existenz Cimrmans). Es zeichnet sich durch stark parodistische Elemente aus.

Alle Vorstellungen haben ein Thema: die Erkundung des Werks Cimrmans. Die Schauspieler geben Wissenschaftler – Cimrmanologen –, die in jedem Stück (im Seminarteil) neue Funde und Entdeckungen präsentieren und im Anschluss ein Stück aus der Hand des „Meisters“ aufführen. Die Vorstellungen sind in der Regel lange vorher ausverkauft. Obwohl den Tschechen durchaus bewusst ist, dass Cimrman nie existiert hat, betreiben sie die Mystifizierung, mit denen die Cimrmanologen begonnen haben, mit sehr viel Elan.

Leben und Werk Jára Cimrmans

Die folgende Darstellung fasst das fiktive Leben des Jára Cimrman zusammen, so wie es sich heute aufgrund des kollektiven „Weiterspinnens“ des ursprünglichen Gedankens dieser fiktiven Person darstellt.

Jára Cimrman wurde zwischen 1854 und 1872 in Wien als Sohn des tschechischen Schneiders Leopold Cimrman und der österreichischen Schauspielerin Marlén Jelinková geboren. Er hatte keine sehr glückliche Kindheit. Sein Vater schrieb ihn für die tschechische Minderheitenschule in Wien ein, während seine Mutter ihn – gleichzeitig – auf eine deutschsprachige Schule schickte. Um zu sparen, zogen ihn seine Eltern als Mädchen auf, damit er die Sachen seiner älteren Schwester (der späteren Dorfschullehrerin von Liptákov) weitertragen konnte.

Trotz seiner schwierigen Kindheit stand Cimrman eine große Zukunft bevor. Als Weltreisender erlebte er mit dem polnischen Wanderzirkus Krakowiak atemberaubende Abenteuer und entwickelte sein Talent als Dramaturg und Bildhauer. Später arbeitete er an verschiedenen Theatern und widmete sich der Theatertheorie (insbesondere im Zusammenhang mit seiner fahrenden Theatergruppe), aber auch in Psychologie, Geschichtsschreibung, Kriminalistik, Musikwissenschaft und Ingenieurskunst vollbrachte er Meisterleistungen. Er wurde zuletzt, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in Liptákov im Isergebirge gesehen, danach verschwand er spurlos.

Wichtige Meisterleistungen waren unter anderem die Philosophie des „Externismus“, die Züchtung des „Universellen Schnabeltiers“. Er pflegte Freundschaften mit Albert Einstein und Sigmund Freud und machte auch eine Vielzahl von nützlichen Erfindungen wie etwa der Glühlampe (die nach ihm benannt wurde: tschechisch „Járovka“, wird später über das Französische zu „žárovka“), wobei er jedoch erst fünf Minuten nach Thomas Alva Edison am Patentamt eintraf.

Cimrman wäre fast der erste Mensch am Nordpol gewesen, doch verfehlte er sein Ziel um ca. sechs Meter, da er auf „feindselige Eingeborene“ stieß. Er schlug Tschechow den Titel „Die drei Schwestern“ für dessen Drama vor, nachdem er vom Arbeitstitel „Die zwei Schwestern“ gehört hatte und meinte: „Sind das nicht zu wenig?“. Außerdem erfand er die CD (die Abkürzung steht für „Cimrman’s Discs“) und war der erste Mensch auf dem Mond; er landete 1914 in einem Eichhörnchen-betriebenen U-Boot.

Es existiert nur ein einziges Foto von Cimrman, entstanden 1909 während eines Aufenthalts in den USA. Bedauerlicherweise sieht man darauf nur eines seiner Beine ins Bild ragen.

Cimrman war verlegerisch tätig. Seine Zeitschrift „Glückliches Heim“ ging ein, nachdem er angefangen hatte, das Konkurrenz-Wochenblatt „Unglückliche Familie“ herauszugeben, in dem die Leser ein wahrhaftigeres Bild des Lebens fanden.

Jára Cimrman schlug der nordamerikanischen Regierung das Projekt des Panamakanals vor, während er gleichzeitig das Libretto der gleichnamigen Oper vorstellte. Zusammen mit dem Grafen Zeppelin konstruierte er das erste Luftschiff. Als aus Deutschland ausgewiesener Anarchist lebte er unter schwierigen Bedingungen in den österreichischen Alpen und arbeitete hier als Hebamme. In Paraguay gründete er das Puppentheater. In Wien gründete er eine kriminalistische Musik- und Ballettschule. Er führte eine umfangreiche Korrespondenz mit G. B. Shaw, auf die jedoch der sture Ire nicht antwortete. Er ist der Erfinder des Joghurts. Er half selbstlos vielen Wissenschaftlern: er assistierte Dr. Burian bei den ersten plastischen Operationen, Edison half er bei der Überarbeitung der ersten Glühbirne, für Eiffel hat er einmal eine Untermiete gefunden. Er ist der Schöpfer der philosophischen Richtung „Externismus“. Weitere Erfindungen: Bikini, Vollmilch, Prinzip des Internets.

Neuere Veröffentlichungen behaupten nun sogar, Jára Cimrman wäre eigentlich eine Frau gewesen.

Bedeutung

Als das Tschechische Fernsehen 2005 eine Umfrage „Der größte Tscheche“ in Tschechien organisierte, ging Jára Cimrman möglicherweise sogar in Führung und übertraf somit Persönlichkeiten wie den Heiligen Wenzel, Karl IV., Jan Hus, Comenius oder Václav Havel. Er wurde aber nach einer Besprechung mit dem Lizenz-Eigentümer BBC vom Wettbewerb als fiktive Persönlichkeit ausgeschlossen, was von etlichen Tschechen als empörend empfunden wurde. Die Anzahl der für Cimrman abgegebenen Stimmen wurde nicht veröffentlicht.

Nach Jara Cimrman sind in Tschechien einige Straßen benannt. Außerdem trägt ein 1996 von einem tschechischen Astronomen entdeckter Asteroid den Namen Járacimrman.

Das Jára-Cimrman-Theater

Im Prager Stadtteil Žižkov befindet sich das Theater, in dem die Stücke, die sich um die Person des Jára Cimrman drehen, gespielt werden. Es trägt offiziell den Namen Žižkovské divadlo Járy Cimrmana, wird aber in Tschechien oft nur als DJC bezeichnet.

Ausstellung: Erfinder & Erfindungen, bis 30. September, Neues Gebäude des Nationalmuseums (Vinohradská 1, Prag 1), täglich 10 bis 18 Uhr, www.nm.cz

Wandern und Schlemmen im Prager Hobbitland // Ein Ausflug ins Prokop-Tal zu Klukovices „Schwarzem Hahn“

Etwas außer Atem mag der ungeübte Bergsteiger nach Emporklimmen des parallel zur „weissen Wand“ verlaufenden Wanderweges sein. Aber der mühsame Aufstieg entlang der steil aufragenden Kalksteinformation lohnt sich: von dort oben hat man einen sagenhaften Ausblick über die Stadt und das südöstliche Moldautal. Wir befinden uns unweit der Eisenbahnstation Prag-Žvahov. Hier, am Fuße des steinernen Riesen, startet der Höhenweg des von Forst und Felsen gesäumten Prokop-Tals (Prokopské údolí).

Neben der Anreise mit der kompakten 1-Wagon-Bahn vom Bahnhof Smichov, fahren Busse der Linien 104 und 120 die Station V Uličce im Prager Stadtteil Hlubočepy an. Hier beginnen zwei bodenständigere Wanderrouten, die entweder an Kletterwänden vorbei durch die malerische Hügellandschaft oder durch die kinderwagenfreundliche Talsohle führen. Ganz gleich aber, ob man zunächst der Straße „Pod Žvahovem“ in die historischen Winkel Hlubočepys oder der Hlubočepská in Richtung Streichelzoo und Spielplatz folgt: an der historischen Eisenbahnbrücke und dem talschürfenden Flüßchen Dalejský führt kein Weg vorbei.

Mehr über die bedeutsame Geologie, Fauna und Flora des Naturreservats erfährt der Besucher über die Infotafeln entlang des blau markierten Wanderwegs. Anhand der offen zu Tage tretenden Gesteinslagen und der in ihnen aufgefundenen Fossilien bietet das Prokop-Tal nicht nur Wissenschaftlern interessante Anschauungsobjekte der frühen Erdgeschichte. Der Kleine Prokop-See (Prokopské jezírko) bietet hierbei ein Idyll, das – von Stockenten und Schwan mal abgesehen – ohne Weiteres der Bergwelt entstammen könnte. Auch die umliegenden Wiesen und Wälder, die über die hangaufwärts führenden, gelb markierten Wege erreichbar sind, verbreiten trotz der miniaturisierten Plattenbauten im Hintergrund einen Tolkiens Hobbitland ähnlichen Charme.

Gesetzt den Fall, dass man die in der Talzone eingerichtete Feuerstelle (samt Grillvorrichtung) mangels Holz und Picknikvorrat ausgelassen hat, dürfte sich bei den notorischen Hungermäulern bereits der erste Appetit regen. Wie gelegen kommt nach dem ersten Drittel der etwa 10 Kilometer langen Wanderroute das Örtchen Klukovice mit seinem etwas versteckten und nach Kaminholz duftenden Restaurant „Schwarzer Hahn“. Mit Rindfleisch- und Gemüsesuppen ab 35 CZK und einem halben Liter Krušovice für 26 CZK werden hier auch Pfennigfuchser die ersten Anzeichen von Appetit erfolgreich bekämpfen können. Während Tagesgerichte inklusive Suppe von montags bis freitag für 110 bis 135 CZK erhältlich sind, kosten die Grill- und Wild-Spezialitäten des Hauses zwischen 145 und 295 CZK. Schweineschnitzel mit Pommes Frites gibt es für 149 CZK, Ente nach tschechischer Art für 189 CZK. Wer den Ausflug in diesen stadtuntypischen Teil Prags gezielt mit einem Festmahl ausklingen lassen möchte, wird gebeten den für 990 CZK erhältlichen, in Wein eingelegten Hahn 24 Stunden im Voraus zu bestellen.

Černý Kohout, Bublavská 308, Prag 5 – Klukovice, geöffnet: täglich 11 bis 23Uhr, www.cerny-kohout.cz

Anleitung zum Selbermachen // Prags erste Kunstgalerie für Kinder im Franz-Kafka-Haus

Wer war nicht schon einmal in einer Kunstgalerie und hat sich insgeheim gefragt: „Ob man das anfassen darf?“ – oder sich gewünscht: „Das würde ich gerne mal anfassen.“ Als die Künstler um den tschechischen Künstler Petr Nikl im vorvergangenen Jahr mit der interaktiven Ausstellung „Play“ die an der Moldau gelegene Galerie Mánes bespielten, kam dies für viele Familien und Kunstfreunde einer Offenbarung gleich. Endlich durften auch die Kleinen, und Grossen, selber Hand anlegen und die Ausstellungsobjekte zu dem machen, was sie ohnehin erst durch ein sie wahrnehmendes Subjekt sind: Kunstwerke.

Dass Begreifen mit Greifen beginnt, da waren sich nicht nur Anhänger der Montessoripädagogik schon immer einig. Auch in der Kunstpädagogik hat man erkannt, dass klassische Galerien – wie auch viele schulische Unterrichtsformen – einen wesentlichen Nachteil haben, wenn sie immer nur auf visuelle Informationen, und nur selten auf Tasterfahrungen setzen. Dass man durch die Ansprache mehrer Sinne nicht nur den Unterhaltungswert von Information steigern kann, betont auch die pädagogische Leiterin der neueröffneten „Galerie Kunst für Kinder“ Jana Skarlantová: „Es gibt Belege, aus denen hervorgeht, dass durchTasterfahrungen fast doppelt soviel erinnert wird, wie durch visuelle Wahnehmung allein.“ Aus diesem Grund kommt dem Gebrauch von Händen, Schere, Kleber und Filzschreiber in Prags prominent gelegener, kinderfreundlicher Kunstgalerie eine herausragende Rolle zu.

Sämtliche Gemälde und Installationen der an der Ausstellung „ Kunst und Recycling“ beteiligten Künstler – von Veronika Richterovás begehbarem Schmetterlingswald, über Markéta Hlinovskás „Freiräume“ bis zu Shalom Neumans psychedelischen Müllmasken –, warten auf die Ertastung und Weiterverarbeitung durch Kinderhände. Dass die Kunsterziehung auch vor ökologischen Denkansätzen nicht halt macht, darauf verweisen die in den Galerieräumen verstreuten Zeitschriftenschnipsel und Plastikflaschen – künstlerische Rohstoffe, die auf Wald- und Ölvorkommen oder energieintensives Recycling zurückgehen und bekanntlich immer knapper und kostbarer werden. „Wir möchten zeigen, dass auch dieses Material wiederverwendet werden kann und es für Kinder beim Erleben ihrer Umgebung interessant machen“, erklärt Organisatorin Kateřina Samkova.

Mit der Fokussierung auf die Zielgruppe der Jüngsten, vom Kind im Vorschul- und jüngeren Schulalter, und deren Eltern und Lehrer, reagiere die „Galerie Kunst für Kinder“ auf die gestiegenen Anforderungen im Ausstellungswesen der Bildenden Kunst, in der Kinder als Adressaten bislang immer an hinterster Stelle rangierten, so Samková weiter. Auch Kuratorin Monika Burian Jourdan betont die Einzigartigkeit der Einrichtung und deren Grundidee: „In der Tschechischen Republik ist es leider immer noch wahr, dass Kinder in den Galerien fast unsichtbar sind. Wir wollen diese Barriere überwinden, und zwar auf eine natürliche Weise. Die „Galerie Kunst für Kinder“ verbindet echte Kunstwerke mit Kindern.“

Zudem sei das Bildungsprojekt von der Idee der Interaktivität her entwickelt – ein Begriff, der nicht erst durch die wechselseitig schaltenden Nachrichtendienste des Internets wieder Konjunktur hat. Dass die „Galerie Kunst für Kinder“ keineswegs die Flucht in vortechnologische Zeiten sucht, sondern eine bewusstere Begegnung mit der alltäglichen Umwelt anstrebt, belegen auch die auf Flachbildschirmen gezeigten Kurzfilme, die mit der Losung „Let`s stop doing bottles!“ zum Beispiel den Herstellungsstopp von Plastikflaschen thematisieren. Shendra Suckis farbenprächtiger „Kabelbaum“ gibt hierbei nicht nur Kindern eine Idee von der materialen Wirklichkeit hinter den Benutzeroberflächen, die Menschen und Maschinen miteinander verbinden und voneinander trennen.

Kunst und Recycling, bis 17.6., Galerie Kunst für Kinder (Náměstí Franze Kafky 24 – Altstädterring), geöffnet: dienstags bis sonntags 10-18 Uhr, Eintritt inklusive Arbeitsmaterialen: Kinder über 3 Jahre 80 Kronen, Erwachsene 120 (ermässigt 80 Kronen), Familien (2 Erwachsene + 2 Kinder) 250 Kronen, http://www.galeriegud.cz (noch im Aufbau)

Die Armbrust im Haus erspart den Sicherheitsdienst // Geschichte der „Arma Diaboli“ im Neuen Gebäude des Nationalmuseums

In Jan Hřebejks 1999er Retrokomödie Pelíšky bekam sie ein Kind zu Weihnachten und man befürchtete Schlimmes. Denn was sollte eine Armbrust in den Händen eines Kindes schon Gutes anstellen? Heute ist die ursprüngliche Funktion der Armbrust als Kriegsgerät und Waffe für Stadtmiliz und Bürgerwehr Literatur. Wie auch die Bezeichnung „Waffe des Teufels“, auf die sich der Ausstellungstitel „Arma Diaboli“ bezieht. In unter Christen geführten Kriegen wurde die Armbrust vom Zweiten Laterankonzil weger ihrer Reichweite und Durchschlagskraft als unritterlich verboten, vermochte sie doch selbst aus weit entfernten Hinterhalten Kettenhemden und – dann zunehmend weniger – auch Rüstungen zu durchbohren.

Im 16. Jahrhundert wurde die Armbrust durch die Hakenbüchse weitesgehend von ihrer Funktion als Kriegsgerät befreit. Als für Schlachten ohnehin nur begrenzt und besonders für Scharfschützen geeignete Waffe, ist ihr bis heute eine Funktion als Jagd-, Sportgerät und Statussymbol erhalten geblieben. Anhand der zahlreichen, in Glasvitrinen und Setzkästen dargebotenen Ausstellungsstücke, lässt sich in der Ausstellung „Arma Diaboli“ die sozio-technische Evolution der Armbrust vom 15. bis 19. Jahrunderts nachvollziehen. Neben puristischen Exemplaren aus Schmiedeeisen, die die bevorstehende Erfindung des Gewehrs bereits erahnen lassen, finden sich fein verzierte, fast organisch wirkende Armbrüste aus Holz und Knochen, aus dem 16. und 17. Jahrhunderts, die zu den Luxusgütern der Renaissance zählten.

Aber auch auf den historischen Kontext des Waffengebrauchs geht die Ausstellung mit artverwandten Ausstellungsstücken und thematisch gegliederten Informationstafeln-Tafeln und Abbildungen ein. Karten und Fotos von Fundstellen auf tschechischem Gebiet wie den Felsen bei Schloss Ingrowitz (Skály u Jimramova) und dem touristischen Pflichttermin Schloss Křivoklát, an denen Teile von Armbrüsten, Pfeilspitzen und Spanner gefunden wurden, dokumentieren die Geschichte der Armbrust als Kulturgeschichte. Einer Karte der Fundstellen zufolge kulminierte diese vor allem im tschechischen Teil Mitteleuropas.

Was aber wäre die Armbrust ohne Geschosse und vor allem ohne Spannsysteme? Hier bietet „Arma Diaboli“ interessante Einblicke in die verschiedenen Schmiede- und Verschlusstechiken. Mechanische Hebel- oder Windesysteme wie die verzierte italienische Festungsarmbrust aus dem Jahr 1600 mit Englischer Windung und die sogenannte Deutsche Winde aus dem 16. Jahrhundert, mit deren Kurbel die Spannkraft über eine Zahnstangenwinde auf Bogen und Pfeil gleichermaßen verteilt wird, veranschaulichen, dass die Entwicklung der Armbrust einen Wettbewerb um die besten igeneurstechnischen Lösungen angestossen hat.

Nach den Bürgerwehren, den schiessenden Bruderschaften, den Duellen zwischen Bogen- und Armbrustschützen hat sich heute, neben einer ernstzunehmenden Sportart, ein in manchen deutschen Kommunen jährlich stattfindendes Volksfest etabliert, in deren Zentrum der unter Alkoholeinfluss getriebene Wille regiert, einen gekrönten Polystyrol- oder Holzadler von der Stange zu schiessen. Der Blick in die Ausstellung im Nationalmuseum verspricht einen nüchternen Blick auf die Ursprünge des sprichwörtlichen Bogenüberspannens.

Arma Diaboli, bis 1.5., Neues Gebäude des Nationalmuseums (Vinohradská 1), geöffnet: täglich 10-18Uhr, Eintritt inklusive Eintrittsgeld für die Ausstellung „Erfinder und Erfindungen“: 80 Kronen (ermässigt 40 Kronen), 28. und 29. März geschlossen, weitere Informationen unter http://www.nm.cz